11. November 2021 – ADVOCACY

DIE FREMDE WURDE UNS ZUR HEIMAT – EIN RÜCKBLICK AUF EINEN BESONDEREN ABEND

Pressemitteilung

Die Deutsche Bahn, GermanDream und HÁWAR.help luden am 29. Oktober anlässlich des 60. Jahrestags des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei Gastarbeiter:innen, und Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft in den Heimathafen Neukölln ein. Bei einem abendlichen Festakt wurde auf vielfältige Art und Weise an dieses Kapitel deutscher Gesellschafts-, Wirtschafts- und Migrationsgeschichte erinnert, das bis heute fortgeschrieben wird.

Es ist mucksmäuschenstill als Poetry-Slammerin Aylin Celik ans Mikrofon tritt und unseren Festakt eröffnet. Mit ihrem Gedicht „Hasret. Wenn Sinne Sehnsucht rufen“ erzählt sie gefühlvoll von ihren deutsch-türkischen Wurzeln, wie sie Heimat empfindet und beschreibt, was Sehnsucht für sie bedeutet.

Wie viele Anwesende heute Abend, ist Aylin ein Kind von Gastarbeiter:innen. Für viele aus dieser Großelterngeneration wurde die Deutsche Bahn AG zum neuen Arbeitgeber in der Fremde. „Gastarbeiter:innen sind aus der Geschichte der Deutschen Bahn nicht wegzudenken – ihr Beitrag für den Erfolg der DB und eine offene Unternehmenskultur ist von großer Bedeutung“, erklärte Martin Seiler auf unserem Panel, Vorstand Personal und Recht der Deutschen Bahn. Mit ihm auf dem Podium: Atiye Altül, Güner Yasemin Balcı, Cem Özdemir, unsere Vorsitzende Düzen Tekkal und Bilge Tissen. Seit Mitte der 1950er Jahre beschäftigte das Unternehmen Gastarbeiter:innen aus südeuropäischen Ländern und der Türkei, und hat damit für die heutige Unternehmensphilosophie die Weichen gestellt. Vielfalt steht heute ganz oben auf der Liste strategischer Prioritäten der DB.

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Wie schwierig diese Ankunft in Deutschland jedoch für viele „Gastarbeiter:innen“ war, berichtete die Zeitzeug:in Atiye Altül. Als junge Frau kam sie 1973 aus Ankara nach Berlin – ihre „Wunschstadt zum Arbeiten und Studieren“. Ohne Sprach- und Kulturkenntnisse setzte sie sich gegen Sexismus und Diskriminierung durch, und engagiert sich seitdem für Frauen mit Migrationsgeschichte. Ihr Bericht war berührend, wachrüttelnd und augenöffnend. Dass es genau diese Tatkraft, die Kämpfe und die Erfolge der ersten Gastarbeiter:innengeneration waren, die den Weg bereitet haben für die vielen Erfolgsgeschichten der heutigen Generation, machte der Grünen-Politiker und GermanDream-Wertebotschafter Cem Özdemir deutlich. Er bezeichnete sich selbst als „klassisches Produkt des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens“, das dazu beigetragen hat, dass Geschichten anders verlaufen sind und die vielfältigen Biographien unser Land bis zum heutigen Tag bereichern. Auf dem Panel wurde sowohl auf Geschichten der Hoffnung, des Schmerzes und der Sehnsucht zurückgeblickt als auch in die Zukunft geschaut, um der Frage nachzugehen, was das Selbstverständnis unserer Gesellschaft ausmacht und welche Rolle dabei Integration, Teilhabe und Ausgrenzung spielen.

Dass es noch viel zu tun gibt, damit die faktische Realität eines Einwanderungslandes auch zu einer politischen Realität wird, merkte der FDP-Politiker und stolze GermanDream-Wertebotschafter Johannes Vogel in seinem anschließenden Grußwort an. Von der neuen Bundesregierung erhofft er sich viel: Mehr Chancengleichheit, mehr Diversität und mehr Gleichberechtigung – unabhängig von den Wurzeln der Familie.

Im Anschluss betrat die Musikerin Derya Yildirm die Bühne und griff die Stimmung im Saal perfekt mit ihrer Musik auf. Uns verriet sie später, dass sie das musikalische Intro (man hört nur die Klänge ihrer Bağlama) an diesem Abend besonders lang gespielt – einfach, weil sie emotional so überwältigt war, dass sie erst zu ihrer Stimme finden musste.

Anschließend bekamen die anwesenden einen Ausschnitt aus der Doku „KÜLTÜR FÜR DEUTSCHLAND“ – „ALMANYA’DAKI KÜLTÜRÜMÜZ“ der anwesende Regisseurin Nuray Sahin zu sehen. Diese machte die Auseinandersetzungen der Kunstschaffenden mit ihrer je eigenen Migrationsgeschichte sichtbar. Einer ihrer Protagonisten war dann an diesem Abend ebenfalls live zugegen: Eko Fresh, GermanDream-Botschafter und Rapper. Seit über 20 Jahren macht er mit seiner Musik Migrationsgeschichten sichtbar. Vor Kurzem ist der Text zu seinem Song „Gastarbeiter“ in einem Schulbuch veröffentlicht worden. In dem Song setzt er sich mit seiner türkischen Herkunft und seiner Familie auseinander. Eko ist ein Vorbild und eine Inspiration – umso glücklicher sind wir, dass er an diesem Abend da war!

Der Abend hat einmal mehr gezeigt, dass Geschichte Verbundenheit stiften kann, auch wenn sie schmerzt. Wir danken allen Anwesenden, die inhaltlich, musikalisch und menschlich sehr berührt haben und uns dabei helfen, mit den Augen und dem Herzen zu sehen. Wir sind Immer noch überwältigt von der Liebe, Menschlichkeit und Wertschätzung der anwesenden Personen, die zu jeder Zeit im Raum spürbar war, und sagen: Danke!, bzw.: Teşekkürler!