28. Mai 2021 – ADVOCACY
Düzen Tekkal, Vorsitzende von HÁWAR.help, sowie Pia Walter, verantwortlich für Projekte und Partnerschaften, wurden als Rednerinnen zur virtuellen Veranstaltung “Advancing the Right to Reparations for Survivors of Conflict-related Sexual Violence in Iraq“ eingeladen, die von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) organisiert wurde. Zu den weiteren Redner:innen gehörten die mutige jesidische Überlebende, Menschenrechtsaktivistin und Autorin Farida Khalaf, die Beraterin und Forscherin Güley Bor, der Leiter der IOM Verbindungsstelle Deutschland, Jean-Philippe Chauzy, sowie seine Kolleg:innen der IOM im Irak, Siobhan Simojoki und Sandra Orlovic.
Zentrales Thema der Diskussion war das neue “Yazidi Survivors Bill“ (Deutsch: „Gesetz für überlebende Jesid:innen“), das am 1. März 2021 vom irakischen Parlament verabschiedet wurde. Das Gesetz zielt darauf ab, Überlebende der grausamen IS-Verbrechen finanziell zu entschädigen. Es soll neben jesidischen Überlebenden auch Angehöriger anderer Minderheiten im Irak wie den Turkmenen, Shabaken und Christen zugute kommen, die von sexueller Gewalt durch Mitglieder der Terrormiliz betroffen waren.
Obwohl das Gesetz ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung ist und einige vielversprechende Aspekte aufweist – wie die umfassende Definition von sexueller Gewalt und die Einbeziehung von nicht-jesidischen Minderheiten – argumentierte Pia Walter, dass wir uns nicht damit zufrieden geben dürfen, dass es im Parlament verabschiedet wurde.
Erstens muss das Gesetz noch implementiert werden, was durch erhebliche praktische und bürokratische Hindernisse erschwert wird. Zweitens geht das Gesetz nicht ausreichend auf die Notwendigkeit eines „Marshallplans“ für Sinjar ein. Die Gewährleistung von Sicherheit, Wiederaufbau, Arbeitsplätzen, Bildung, Gesundheits- und psychosozialen Diensten ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Überlebenden die Binnenvertriebenen-Lager verlassen, in ihre angestammte Heimat zurückkehren und sich in der Region ein würdiges Leben mit einer Zukunft aufbauen können.
Drittens betonte unsere Kollegin, dass „das Gesetz als der Anfang eines langen und herausfordernden Weges gesehen werden sollte“, da viele weitere Opfer des Konflikts vom Gesetzestext nicht berücksichtigt werden; dazu gehören z.B. Kinder, die aus sexueller Gewalt geboren wurden, oder Männer und Jungen, die sexuelle Gewalt erlitten haben. Für sie sollten spezielle humanitäre Flüchtlingskontingente in anderen Ländern geschaffen werden.
Ein weiterer Aspekt wurde von unserer Kollegin zur Sprache gebracht: Die Forderung der Überlebenden nach umfassender Gerechtigkeit für die vom IS an ihnen verübten Verbrechen: “Das, wonach sich die Überlebenden am meisten sehnen, ist es, vor Gericht auszusagen, um legale Gerechtigkeit für die an ihnen verübten Verbrechen herbeizuführen […], und es gibt keine administrativen Programme, die das ersetzen könnten!”
Wir danken der IOM Deutschland und Irak für die Möglichkeit, unsere Vision für den weiteren Weg zu teilen. Wir danken ebenfalls den anderen Redner:innen sowie allen beteiligten Akteuren, insbesondere der Coalition for Just Reparations (C4JR), die sich besonders für dieses Gesetz stark gemacht hat. Dies ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, Gerechtigkeit für die Überlebenden von Völkermord und sexueller Gewalt zu erreichen.