20. Dezember 2022 – IRAN
„Jin – Jiyan – Azadi, JIN-JIYAN-AZADI“ – hallt es am 28. September auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. Mehr als 2000 Menschen sind gekommen, um sich mit den Menschen und insbesondere mit den Frauen in Iran zu solidarisieren. Darunter auch viele Gäste und Sprecher:innen aus Gesellschaft und Politik.
Der Hintergrund ist die Ermordung von Jina Mahsa Amini am 16. September in Teheran, der die jüngsten Proteste auslöste. Die Kurdin habe ihren Hijab nicht richtig getragen, wurde von der Moralpolizei festgenommen und in Gewahrsam misshandelt. So brutal, dass sie starb. Mit der heutigen Kundgebung wollen wir einen Ort schaffen für die Menschen aus der iranischen und kurdischen Diaspora, an dem sie ihren Schmerz teilen können. Und einen Ort für uns alle, an dem wir in Solidarität und Hoffnung zusammenkommen können. Hoffnung auf ein Ende der langjährigen Unterdrückung der Menschen in Iran und auf Freiheit.
Nach der Eröffnung durch Düzen Tekkal kommen die Parteivorsitzenden von BÜNDNIS 90/die Grünen, Ricarda Lang und Omid Nouripour, auf die Bühne. Ricarda Lang verweist auf die Universalität der Menschenrechte: „Die Freiheit ist nicht westlich, nicht östlich, sondern universell!“ – und zitiert damit einen Leitspruch der iranischen Frauen, die schon 1979 gegen Khomeini auf die Straßen gingen, um für ihre Rechte einzustehen. Omid Nouripour verweist darauf, dass das Wort gerade den Frauen gehört, weil sie die Speerspitze der Revolution in Iran sind: „Jetzt ist die Zeit, dass die Männer zuhören!“
Als nächstes spricht die Journalistin Gilda Sahebi und appelliert mit eindringlichen Worten an die Politik: „Mit so einem Regime kann man nicht zusammenarbeiten!“ Zu den rund 2000 Anwesenden, die gekommen sind, um ihrer Trauer und Wut Raum zu schaffen, gesellen sich immer mehr Passant:innen dazu. Ein Moment, der bei allen Gänsehaut verursacht: als die Musikerin Mentrix zusammen mit Nora Tschirner und Tomer eine Version von „Bella Ciao“ auf Farsi performen.
Ronya Othmann kommt auf die Bühne. Sie ist Autorin und verfasste den Nachruf „Für Jina“, „einen der stärksten und berührendsten Texte zur Thematik“, wie Düzen Tekkal ankündigt. Als Ronya Othmann den Text liest vergegenwärtigt sie für alle noch einmal Jinas Geschichte – und wie sinnlos dieser Tod war. Spätestens jetzt stehen vielen Menschen im Publikum die Tränen in den Augen.
Eine anschließende Schweigeminute endet durch „Jin-Jiyan-Azadi“-Gesänge. Düzen Tekkal bittet Serap Güler, MdB (CDU) auf die Bühne, die sich ihren Vorredner:innen anschließt und Solidarität mit den Menschen in Iran bekundet. Die Menschenrechtsaktivistin Daniela Sepehri leitet ihren Beitrag auf Farsi ein und wendet sich dann mit Kritik an die deutsche Außenpolitik. Nach ihr kommt die Afghanin Arezao Naiby auf die Bühne. Sie kennt den Schmerz der Frauen in Iran sehr genau. Sie ist gekommen, um den Iranerinnen beizustehen, erinnert aber auch daran, die Situation der Frauen in ihrem Heimatland nicht zu vergessen.
Und dann steht plötzlich Amir auf der Bühne. Er hat die Unterdrückung durch das Regime in Iran selbst erlebt, er ist dort aufgewachsen und vor 3 Jahren nach Deutschland geflohen. Die Rede, die er von seinem Smartphone abliest, ist bewegend und authentisch: „Warum sollten sich die Menschen in Deutschland darum kümmern und Solidarität mit den Menschen im Iran zeigen? Ein Angriff auf die Rechte der Frauen ist ein Angriff auf alle Menschenrechte. Es ist keine Frauensache, es ist eine Menschensache!“
Weitere Iraner:innen sind gekommen, um ihrer Wut und Trauer Raum zu schaffen. Der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai, MdB, betritt das Podium, klagt das Regime an und fordert, dass Menschenrechten mehr Beachtung in internationalen Beziehungen zum Iran zukommen muss.
Ist Jinas Tod der Kipppunkt für das Unrechtsregime, das seit 43 Jahren Menschen unterdrückt? Minu Barati erzählt davon, wie sie sich wünscht ihre Familie im Iran wieder zu sehen, was ihr seit Jahrzehnten verwehrt bleibt. Ihr Vater, Mehran Barati, führender iranischer Oppositionspolitiker der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran entkam 1992 nur knapp dem Mykonos-Attentat. Auf Farsi wendet er sich an seine Landsleute, die ihn lautstark bejubeln.
Auch MdB und Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung Cem Özdemir, langjährige Unterstützer von HÁWAR.help, bezieht klare Stellung zur Menschenrechtssituation und wettert mit lauter Stimme gegen die Mullahs. Als letzte Sprecherin betritt Derya Türk-Nachbaur, MdB (SPD) die Bühne. Sie spricht von den Hoffnungen der Frauen im Iran und regt in ihrem abschließenden Satz zum Nachdenken an: „Wo stünde die iranische Gesellschaft jetzt, wenn sie Frauen gleichberechtigt behandelt und nicht unterdrückt hätte?“
Düzen Tekkal bedankt sich abschließend bei allen Anwesenden und Helfer:Innen, sowie bei den Unterstützerinnen dieser Kundgebung: Anne Großmann, Katharina Kurz, Verena Pausder und Judith Dommermuth. Sie motiviert außerdem zum „Weitermachen und Weiterstören“ und verspricht, dass auch wir von HÁWAR.help nicht aufhören werden, uns für die Menschen in Iran einzusetzen.
Der Abend am Brandenburger Tor endet mit den Klängen kurdischer Musik, gesungen von Nargis, einer Kurdin aus dem Iran, und dem immerzu wiederhallendem: „Jin, Jiyan, Azadi!“