28. Juli 2023 – ADVOCACY

9. JAHRESTAG GENOZID AN DEN JESIDEN: UNSERE FORDERUNGEN

Durch die offizielle Anerkennung des Völkermords an den Jesiden hat die Bundesrepublik Deutschland ein starkes politisches Zeichen gesetzt. Für uns als Menschenrechtsorganisation, die auf der Asche eines Völkermords an den Jesiden gegründet wurde, gehen damit folgende Forderungen einher:

1. HÁWAR.help fordert, dass ein angemessenes Erinnern und Gedenken des Genozids ermöglicht wird. Räume des Austauschs, der Begegnung, der Aufarbeitung und des Gedenkens müssen in Deutschland, in dem inzwischen die größte jesidische Diaspora weltweit lebt, und in Irak geschaffen werden.

2. Deutschland hat in der juristischen Aufarbeitung des Genozids eine Vorreiterrolle eingenommen – und sollte dies beibehalten, indem die strafrechtliche Verfolgung von IS-Täter:innen weiterhin intensiv verfolgt und auch im Ausland unterstützt wird. Dies muss unter noch stärkerer Einbindung der Überlebenden geschehen. Beispielsweise sollten Gerichtsprozesse auf Kurdisch/Arabisch übersetzt werden, damit die Überlebenden eine Möglichkeit haben, die Prozesse zu verfolgen und so Gerechtigkeit erfahrbar gemacht werden kann.

3. Die Generalbundesanwaltschaft muss prüfen, wie Deutschland die angekündigten IS-Prozesse in Nordostsyrien unterstützen kann, insbesondere mit Hinblick auf die ca. 3000 “Foreign Fighters” und ihre Familienangehörigen (darunter auch deutsche Staatsangehörige), die sich noch immer in syrischen Gefängnissen und Lagern befinden und noch nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeführt wurden.

4. Deutschland sollte die irakische Regierung auffordern, sich zum einen für eine pragmatische Umsetzung des Yazidi Survivors Law einzusetzen; ein Gesetz, das Jesiden und weiteren von der Terrormiliz Daesch/ „Islamischer Staat“ verfolgten Minderheiten in Irak u.a. Entschädigungen zusichert. Zum anderen muss die irakische Regierung das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ratifizieren, um eine verbindliche Rechtsgrundlage der Gerichtsbarkeit zu schaffen.

5. Deutschland muss sich für den Wiederaufbau Shingals und für die Stabilisierung der Region auf internationaler Ebene einsetzen, etwa indem es auf diplomatischem Weg auf die irakische Regierung einwirkt, das Sinjar-Abkommen umzusetzen.

6. Die psychosoziale Versorgung jesidischer Überlebender des Genozids muss in Deutschland und in Irak weiter ausgebaut werden.

7. Aufgrund ihrer andauernden Verfolgung und Diskriminierung müssen Jesiden einen besonderen Schutzstatus erhalten. Dazu fordern wir auf der einen Seite einen umfassenden Schutz in den Asylverfahren mit Aussetzung von Abschiebungen, auf der anderen Seite ein Aufnahmeprogramm für besonders unter den anhaltenden Folgen des Genozids leidenden Jesiden über ein Bundessonderkontingent.