8. Oktober 2021 – DOKUMENTARFILME

03.08.2021 – 7. Jahrestag des Genozids an den Jesiden

Ein Gedenkabend in Stuttgart

Am 03.08.2021 jährte sich der Völkermord an den Jesiden zum siebten Mal. Dieser Tag ruft bei allen Betroffenen und Überlebenden einen unvorstellbaren Schmerz und schreckliche Erinnerung hervor. Damit die Betroffenen damit nicht allein gelassen werden, ist das öffentliche Gedenken an das Geschehene so wichtig. Aus Anlass des Gedenktags zeigten wir in Stuttgart unseren Dokumentarfilm „JIYAN – Die vergessenen Opfer des IS“, der vorranging und exemplarisch die Geschichte der IS-Überlebenden Najlaa Matto erzählt. Interessierte konnten die Diskussion über einen Livestream mitverfolgen.

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Im Anschluß diskutierten der Trauma-Psychologe Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan, der Beauftragte der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit Markus Grübel, Völkerrechtsexperte Dr. Alexander Schwarz, die IS-Überlebende Sara Singari und „JIYAN“-Protagonistin Najlaa Matto sowie „JIYAN“-Regisseurin Düzen Tekkal. Moderiert wurde die Diskussion von Azadê Peşmen. Die Veranstaltung in Stuttgart stattfinden zu lassen, hatte eine besondere Bedeutung: 2015 fanden 1100 Jesiden dank eines vom Land Baden-Württemberg eingerichteten Sonderkontingents in diesem Bundesland Zuflucht.

Zu Beginn des Abends hieß uns und die Gäste Theresa Schopper, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, willkommen. Es folgte die Vorführung des Films, der für die anwesenden Überlebenden nur schwer zu ertragen war. Während der Vorstellung sah man mehrmals Professor Kizilhan sich von seinem Platz im Auditorium erheben, um sich einzelner Jesid:innen im Raum zuzuwenden und ihnen Trost zu spenden.
Im Anschluss an den Film hielt Najlaa Matto eine bewegende Rede. Sie erklärte, dass so lange die noch gefangen gehaltenen Frauen nicht frei sind und ihr Verbleib unklar ist, sie selbst auch nicht vollkommen frei ist.

Auf dieses Thema ging Professor Kizilhan näher ein: Er berichtete aus seiner Arbeit mit Überlebenden des Genozids und wie er und sein Team ihnen helfen, die traumatischen Geschehnisse zu verarbeiten. Er wies auch auf die Wünsche der Überlebenden nach Reparationen hin. Diese seien nicht materieller Natur: Es ginge hierbei nicht um Geld oder darum, dass sie in ihr altes zu Hause zurück kehren. Die Frauen wünschten sich Vielmehr umfassende Gerechtigkeit durch die Strafverfolgung von IS-Täter:innen.

Der Völkerrechtsexperte Dr. Alexander Schwarz gab Einblicke aus der Praxis der deutschen Strafgerichtsbarkeit gegen IS-Anhänger, denen Straftaten im Zusammenhang mit dem Genozid an den Jesiden zur Last gelegt werden und gegen die bereits ersten Gerichtsurteile verhängt wurden.
Markus Grübel berichtete von Entwicklungen, die er zukünftig für den Irak kommen sieht. Hierbei gebe es Licht und Schatten, denn die Sicherheitslage ist immer noch angespannt: Teile des Shingal (die Heimatregion der Jesiden) werden noch immer von IS-Milizen heimgesucht, doch der Wiederaufbau der Infrastruktur kommt immer besser voran. Etwa 30.000 binnenvertriebene Jesiden konnten 2020 wieder zurück in ihre Heimatgebiete zurück kehren.

Sara Singaris Worte berührten uns ganz besonders: „Hier sind viele starke Frauen und sprechen über ihre Geschichte. Das ist wichtig. Ich will nicht immer über meine Vergangenheit sprechen. Ich will über meine Zukunft sprechen und den Mädchen und Frauen Mut machen. Ihr seid tolle Frauen, ihr seid stark!“ Sara ist eine von vielen, die als starke Akteurinnen des Wandels ihren Weg selbstbestimmt gehen und dabei ganze Gesellschaften in ihrem Selbstverständnis transformieren.

Wir bedanken uns bei allen, die diese Gedenkveranstaltung so besonders gemacht haben! Dazu gehören: das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Das Gefühl von Zusammenhalt, als so viele  langjährige Unterstützer an der Veranstaltung teilnahmen, war auf unbeschreibliche Weise berührend und vor allem verbindend. Den Mut und die Kraft der Überlebenden, nicht aufzugeben und ein neues Leben aufzubauen ist einfach unglaublich wichtig für uns, um zu erkennen, dass es immer noch so viel Arbeit gibt, die vor uns liegt. Wir alle sind mit dafür verantwortlich, dass keine weitere Minderheit mehr unter so einem Schicksal leiden muss, wie es der Religionsgemeinschaft der Jesiden widerfahren ist.