6. April 2022 – ADVOCACY

EIN MEILENSTEIN RICHTUNG GERECHTIGKEIT? ERSTER JAHRESTAG DES YAZIDI SURVIVORS’ LAW AM 1. MÄRZ 2022

Ein Jahr ist vergangen, seitdem das irakische Parlament das sogenannte „Yazidi Surviors‘ Law“ (Deutsch: „Gesetz für überlebende Jesiden“) am 1. März 2021 verabschiedet hat. Es zielt darauf ab, Überlebende der grausamen Daesch-Verbrechen zu entschädigen und zu unterstützen und stellt damit einen fundamentalen Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Wiedergutmachung dar. Doch was ist nach einem Jahr passiert? Für HÁWAR.help ist der heutige Tag Anlass, um Bilanz zu ziehen.

Am 1. März 2021 erließ das irakische Parlament das „Yazidi Survivors‘ Law“ (YSL) – ein Gesetz, welches sich mit dem Völkermord an der jesidischen Gemeinschaft, den Kriegsverbrechen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit befasst, die von der dschihadistischen Terrororganisation Daesch (arabisches Akronym für „Islamischer Staat in Irak und der Levante“) im Irak begangen wurden. Das Gesetz sieht Rehabilitationsmaßnahmen, finanzielle Entschädigungen, medizinische Hilfe, Bildungsangebote und wirtschaftliche Unterstützungsmöglichkeiten vor und erkennt ausdrücklich an, dass Daesch einen Völkermord an Jesiden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. Neben jesidischen Überlebenden soll das Gesetz auch anderen Angehörigen ethnisch-religiöser Minderheiten im Irak zugute kommen, darunter Turkmenen, Shabaken und Christen, gegen die Daesch ebenfalls mit Gewalt vorging.

Maßgeblich vorangetrieben wurde das Gesetz von der „Coaliton for Just Reparations“ (C4JR), einem Bündnis zivilgesesellschaftlicher Organisationen, zu denen auch HÁWAR.help gehört. Die C4JR setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene für eine umfassende Entschädigung von Opfern sexueller Gewalt und von Überlebenden anderer Verbrechen ein, die von Daesch im Irak und Syrien verübt wurden. Überlebenden zu ihrem Recht auf Wiedergutmachung und Gerechtigkeit zu verhelfen und ihnen eine Stimme zu verleihen, gehört zu dem Hauptanliegen des Bündnisses.

Doch auch ein Jahr später hat sich die Situation der Überlebenden kaum verbessert. Denn die Implementierung des YSL steht vor zahlreichen Herausforderungen, die zum Teil auf die angespannte politische Lage im Irak und fehlende Haushaltsmittel zurückzuführen sind. Zwar richtete die irakische Regierung noch im Jahr 2021 ein „Directorate for Survivors‘ Affairs“ (Deutsch: Abteilung für die Belange der Überlebenden) ein, welches mit der Umsetzung des Gesetzes beauftragt ist. Doch der Direktion fehlen die notwendigen Ressourcen, um ihre Verantwortlichkeiten zu erfüllen; das Antragsverfahren wird durch bürokratische Hürden, fehlende Mittel sowie Antrags- und Prüfmechanismen erschwert. 

Die Überlebenden warten somit immer noch auf Gerechtigkeit und harren seit mehr als sieben Jahren in den Lagern für Binnenvertriebene im Nordirak aus, ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Sie können noch immer nicht in ihre zerstörte Heimatregion zurück, auch da das Gesetz unzureichende Vorkehrungen für die Gewährleistung von Wiederaufbau, Arbeitsplätzen, Bildung, Gesundheits- und psychosozialen Diensten trifft. Dies ist jedoch die Voraussetzung dafür, dass die Überlebenden die Binnenvertriebenen-Lager verlassen und sich ein neues Leben aufbauen können.

Als Teil der Coalition for Just Reparations setzt sich auch HÁWAR.help für die umfassende Implementierung des Yazidi Surivors‘ Law, aber auch für eine Wiedergutmachung und Aufarbeitung darüber hinaus ein. Daher ist es unabdingbar, dass die irakische Regierung die institutionellen und finanziellen Weichen zur Umsetzung des Yazidi Survivors‘ Law stellt, der Wiederaufbau der Sinjar-Region vorangetrieben wird und die internationale Gemeinschaft in ihrem Druck zur umfassenden Aufklärung und Wiedergutmachung des Genozidsr IS-Verbrechen nicht nachlässt. Hierzu leisten wir von HÁWAR.help sowohl in Deutschland als auch im Irak unseren Beitrag!