2. Juni 2021 – SCHOOL TALKS

„MENSCHEN HELFEN – EGAL IN WELCHER LAGE“

Ein Gastbeitrag von Ingolf Thiele, Lehrer an der 94. Oberschule in Leipzig, der seine Eindrücke zum SCHOOL TALK teilt.

Vor mehr als 2000 Jahren, auf dem Gebiet des heutigen Iraks und Teilen Syriens, entstand eine neue Religionsgemeinschaft, das Jesidentum. Eine eigenständige monotheistische Religion ohne heilige Schriften, gegliedert in ein Kastensystem, mit eigenen Bräuchen und Traditionen, deren Anhänger:innen in ihrer langen Geschichte massiven Verfolgungen bis hin zum Genozid ausgesetzt waren. So erneut im Jahr 2014 im Irak, als die Terrormiliz des sogenannten „Islamischen Staat“ die Shingal-Provinz angreift, in der ca. 600.000-700.000 Jesid:innen leben.

Von diesem Geschehen erzählt der Film „HÁWAR – Meine Reise in den Genozid“ in drastischen Bildern und lässt geflüchtete Kinder und Erwachsene, Widerstandskämpfer und eine irakische Politikerin zu Wort kommen, die die ganze Brutalität und Grausamkeit der Verfolgung darstellen.

Den Klassen 8a und 9b wurde der Film von HÁWAR.help e.V. gezeigt, einer NGO mit Sitz in Berlin. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich für die Rechte der Jesid:innen weltweit ein und rückt so ein Geschehen in den Mittelpunkt, das schockiert und sprachlos macht und das weder vergessen werden noch sich wiederholen darf. Neben Mitarbeiter:innen von HÁWAR.help, war als Gast Mabura Oba bei dem SCHOOL TALK dabei. Sie ist selbst Jesidin und stellte nicht nur die Grundzüge der Religion vor, sondern schilderte mit eigener Betroffenheit das Schicksal ihrer Religionsgemeinschaft. Die ersten Reaktionen der Schüler:innen erstreckten sich von Sprachlosigkeit über ungläubige Fragen zum Geschehen bis zum Weinen. „Mich hat der Film sehr traurig gemacht und ich hätte nicht gedacht, dass es Menschen gibt, die solche grausamen Dinge machen“, teilte eine Schülerin nach dem Film mit.

Im anschließenden Gespräch gab es Fragen der Schüler:innen nach dem Wie und Warum und nach aktuellen Entwicklungen in der Region. Es stellte sich sogar heraus, dass einige der Schüler:innen Jesid:innen kennen. So wusste ein Schüler der 8a zu berichten, dass die Jesid:innen den Engel-Pfau anbeten. Vielleicht ist es eine Ermutigung für Anhänger des jesidischen Glaubens, wenn ihnen bekannt wird, dass der Genozid durchaus Thema an deutschen Schulen ist.

Der Film und das anschließende Gespräch berührten Fragen der existentiellen Sicherheit und der Würde des Menschen, der Religionsfreiheit und vielen weiteren Aspekten, die in der Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 zusammengefasst sind. Die Schaffung der Charta wurde nach den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und der Shoah von der Weltgemeinschaft vorangetrieben, um solche Katastrophen künftig zu verhindern. Auf die Charta berufen sich alle Unterzeichnerstaaten, zu denen auch Deutschland gehört. Auch wir als UNESCO-Projektschule stehen für eben jene Werte ein und rücken sie im Schulalltag an vielen Stellen in den Vordergrund und machen auf ihre Bedeutung für die Gesellschaft aufmerksam.

Ein Appell von Jasemin Seven, Projektverantwortliche für SCHOOL TALKS bei HÁWAR.help, an die Schüler:innen beendete die Projektstunden: Alle Menschen gleich welcher Herkunft und Religion, Hautfarbe oder Ethnie sind wertvolle Mitglieder der Gesellschaft und aufgefordert, sich für diese einzusetzen und eigene Belange zu thematisieren. Denn nur wenn der Einzelne von diesem Recht und Privileg Gebrauch macht, kann eine lebendige und vielfältige Gesellschaft entstehen und wachsen. Eine Schülerin zieht genau dieses Fazit und sagte: „Ich habe daraus gelernt, dass man anderen Menschen helfen soll – egal in welcher Lage sie sich befinden.“

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Partnern, Engagement Global, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Deutschen Postcode Lotterie, dafür, dass sie SCHOOL TALKS ermöglichen!

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