BÊMAL – Heimatlos.
10 Jahre Völkermord an den Jesiden

Der neue Dokumentarfilm von Düzen Tekkal & David Körzdörfer.

Am 3. August 2024 jährt sich der Völkermord an den Jesiden zum zehnten Mal. Anlässlich dieses Jahrestages präsentieren die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal und Filmemacher David Körzdörfer ihren gemeinsamen, neuen Dokumentarfilm „Bêmal – Heimatlos“.

“Bêmal” begleitet vier Geschwisterpaare jesidischer Herkunft, die nach den Ereignissen in Irak ihre Zuflucht in Deutschland gesucht haben. Ihre persönlichen Geschichten geben tiefe Einblicke in die Traumata, die sie erlitten haben, und in ihren Kampf um ein neues Leben. „Bêmal“ setzt sich auch mit dem neuen Unrecht auseinander, das geflohenen Jesiden in Deutschland widerfährt: Abschiebungen zurück nach Irak, wo der Genozid sich ereignete. Er ist ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung des Völkermordes an den Jesiden und mahnt uns, die Verantwortung für die Schutzbedürftigsten in unserer Gesellschaft zu übernehmen.

Es sind Geschichten, die sich in Irak und in Deutschland abspielen. Dabei entpuppt sich vor allem der sichere Schutzhafen Deutschland als nur vorübergehend, die letzten Jahre nur als Verschnaufpause von Flucht und Unsicherheit: Obwohl der Deutsche Bundestag den Genozid an den Jesiden im Jahr 2023 offiziell als solchen anerkannt hat, werden kaum ein Jahr später überlebende Jesiden nach Irak abgeschoben, darunter auch die Eltern und Geschwister von Jana und Bascal, die im Film zu sehen sind. Sie müssen wieder dorthin zurück, wo ihr Martyrium begann und wo es bis heute keine Sicherheit und Daseinsberechtigung für Jesiden gibt.

Zwischen Hoffnung auf Rückkehr, der Sehnsucht nach Frieden, dem Kampf für Gerechtigkeit und der Feier des Lebens und des Überlebthabens, handelt „Bêmal“ nicht nur vom ständigen Kampf ums Dasein der Jesiden, sondern auch vom unverlierbaren Kern des Menschseins überhaupt: Dem Drang nach Freiheit und Autonomie sowie der Würde des Einzelnen.

Die Geschichten der vier Geschwisterpaare
Nach 9 Jahren IS-Gefangenschaft ist Sawsan Alomar 2023 in Deutschland angekommen. Die Jesidin wurde mehrfach von Anhängern der Terrormiliz verkauft und an verschiedenen Orten in Irak und Syrien gefangen gehalten und versklavt wurde. Sawsan wurde nach 8 Jahren Gefangenschaft 2022 in einem Camp in Syrien gefunden und befreit. Ihre Schwester Jihan Alomar selbst wurde 10 Monate vom sogenannten Islamischen Staat gefangen gehalten. Nach ihrer Befreiung konnte Jihan 2016 gemeinsam mit einem Teil ihrer Familie nach Deutschland fliehen. Ihr Vater und einer ihrer Brüder werden seit 2014 vermisst.

Layla und Tahsin Mirza sind aus Irak über das Mittelmeer geflüchtet und in Nordrhein-Westfalen angekommen. Layla arbeitet heute als Model – sie will zeigen, dass jede Frau ihren Traum leben kann. Tahsin ist Theaterpädagoge und Comedian.

Auch Bascal und Jana Kheyri sind nach Deutschland geflüchtet. Heute machen sie in Bayern eine Ausbildung in der Altenpflege. Sie haben eine Aufenthaltserlaubnis. Die Eltern und jüngeren Geschwister allerdings wurden in den Irak abgeschoben. Ihre Duldung wurde nicht verlängert.

Aiham wurde als Kleinkind entfürt und von der Terrormiliz zum Kindersoldaten ausgebildet. Sein Bruder Anas wurde am 3. August 2014 – am Tag des Genozids geboren –  und verbringt die ersten vier Jahre seines Lebens in IS-Gefangenschaft. Seine und Aihams Mutter hat er nie kennengelernt. Sie ist eine der tausenden Jesidinnen, die noch immer vermisst werden. Heute, fast 15 Jahre alt, leben die Brüder bei ihrem Onkel und haben weiterhin mit den Folgen des Erlebten zu kämpfen.

Wir danken von Herzen allen Menschen, die diesen Dokumentarfilm ermöglicht haben und mit uns gemeinsam Schallverstärker für die Geschichten der Geschwister, ihren Familien und zahlreichen anderen Betroffenen des Genozids sind.

  • Layla

    Layla war 10 Jahre alt, als der sogenannte “Islamische Staat” ihr Dorf in Shingal überfiel. Vor der Kamera benannte sie damals mutig den Horror, der ihr und anderen Frauen durch den IS angetan wurde. Heute lebt sie in Deutschland und arbeitet als Model. Das Modeln gibt Layla Kraft – für sie ist es ein Weg der Heilung und ein Akt der Freiheit.
  • Tahsin

    Tahsin ist Stand-up Comedian Tahsin und verarbeitet auf der Bühne humorvoll seine Erfahrungen als geflüchteter Iraker in Deutschland. Um seiner jüngeren Schwester Layla die Modelschule zu ermöglichen, verschuldet er sich mit einem Kredit. Als ausgebildeter Theaterpädagoge, möchte er Kindern ermöglichen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
  • Jihan

    Jihan wurde mit 10 Jahren Jihan Zeugin des IS-Überfalls auf ihr Zuhause in Shingal und lebt heute mit ihrer Familie in Tübingen. Sie hat ein Buch über den Genozid an ihrem Volk geschrieben und wurde so zu einer einflussreichen Stimme der jungen jesidischen Generation. Mit über 44.000 Followern auf TikTok und Auftritten auf politischen Bühnen, kämpft sie für Gerechtigkeit der Überlebenden.
  • Sawsan

    Sawsan ist 16 Jahre alt, als der IS sie von ihrer Familie trennt. Erst nach 8 Jahren kann sie befreit werden. Sie überlebt 5 Jahre als Sklavin des IS und 3 Jahre versteckt im Al Hol Camp in Syrien. Bei ihrer Familie in Tübingen findet sie langsam ins Leben zurück und geht wöchentlich zur Sprachschule, um Deutsch zu lernen. Für den Film spricht sie das erste Mal über das Erlebte.
  • Aiham

    Aiham wurde mit 4 Jahren vom „Islamischen Staat” entführt und tauchte später in Propagandavideos auf, in denen er arabisch spricht und sich zu den Glaubensansätzen des “IS” bekennt. Heute, fast 15 Jahre alt, lebt er mit seinem Bruder Anas außerhalb eines IDP Camps in Sharya bei seinem Onkel und hat weiterhin mit den Folgen des Erlebten zu kämpfen.
  • Anas

    Anas wurde am Tag des Genozids geboren und verbrachte die ersten vier Jahre seines Lebens in IS-Gefangenschaft. Seine und Aihams Mutter hat er nie kennengelernt. Sie ist eine der tausenden Jesidinnen, die noch immer vermisst werden.
  • Familie Khodaydaa

    Die Familie Khodaydaa wurde im Oktober 2023 über Nacht in den Irak abgeschoben, wo sie vorübergehend bei einem Onkel unterkommen konnten. Das Haus liegt in Sichtweite der ehemaligen Frontline. Das Ankommen ist schwierig: Rojin (11) und Hozan (7) können kaum am Schulunterricht teilnehmen, weil sie weder Kurdisch noch Arabisch schreiben und lesen können. Die Trennung der Familie überschattet jeden Tag.
  • Jana & Bascal

    Jana & Bascal konnten der Abschiebung entgehen, weil ihr Ausbildungsplatz als Pflegekraft im Allgäu sie schützte. Im Alltag kämpfen sie mit der Zerrissenheit zwischen dem Durchhalten in Deutschland und der Rückkehr zu ihrer Familie in den Irak. Mehrmals am Tag telefonieren sie auf Deutsch mit ihren kleinen Geschwistern und ermutigen sie, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.

 

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