30. April 2025 – Alles

ROJDA – IM LICHT DER ERINNERUNG: HÁWAR.help ERÖFFNET IN BERLIN EINE MULTIMEDIALE AUSSTELLUNG ÜBER DAS KULTURELLE ERBE DER JESIDEN

“Die Menschen sollten in Erinnerung bleiben. Und vorallem die Kraft und das Licht dieser Religionsgemeinschaft. Das war immer stärker als alle Gräueltaten gegen die Jesiden. Es geht darum, dass wir endlich unsere Geschichte selber erzählen.”
– HÁWAR.help Gründerin Düzen Tekkal

Mit einer bewegenden Eröffnungsfeier hat HÁWAR.help heute Abend die Ausstellung ROJDA – Im Licht der Erinnerung der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie ist Teil des Yazidi Community Archive – ein von der Menschenrechtsorganisation initiiertes und vom Auswärtigen Amt gefördertes Projekt, das die Geschichten und Erinnerungen der jesidischen Gemeinschaft bewahrt.

Die Ausstellung, die bis zum 5. Mai im bUm Berlin zu sehen ist, zeigt berührende Fotografien, persönliche Gegenstände und multimediale Zeugnisse jesidischen Lebens – dokumentiert und erzählt von Überlebenden selbst. Besonders im Fokus stehen jesidische Frauen, die als Chronistinnen ihrer eigenen Geschichte zu Akteurinnen des Wandels werden.

ROJDA als Resonanzraum: Eine Eröffnung zwischen Resilienz, Musik und Zeugenschaft

Der Abend begann mit einem emotionalen musikalischen Beitrag: Die Musiker Aamer Bajo, Enwer Naif und Ismail Khudida eröffneten mit dem Lied Qadî Šilo – ein traditionell jesidisches Stück.

Durch den Abend führte Shila Behjat, Journalistin und Autorin. Als Angehörige der religiösen Minderheit der Baha’i, die viel leidvoller Verfolgung ausgesetzt ist, hat sie ihren eigenen Zugang zum Thema. In ihren einleitenden Worten betont sie, wie wichtig das Erzählen in eigener Stimme ist: die in ihren einleitenden Worten betonte, wie wichtig das Erzählen in eigener Stimme ist: “Es ist die größte Herausforderung, dass wir Betroffenen nie selber sprechen dürften – das brechen wir mit diesem Projekt.”

Düzen Tekkal, Gründerin und Vorsitzende von HÁWAR.help, betonte in ihrer Rede: “Für die Jesiden ist es ein Novum, dass etwas über ihre Religion und Kultur dokumentiert wird. Die Jesiden sind keine Schriftbesitzer wie andere monotheistische Religionen. Ihre Traditionen werden mündlich von Generation zu Generation weiter gegeben.” Sie hob hervor, dass mit ROJDA ein Resonanzraum geschaffen wurde – für Erinnerung, kulturelle Selbstbehauptung und Würde. Die Ausstellung mache sichtbar, was lange im Verborgenen bleiben sollte. “Kaum jemand hatte sich bislang die Mühe gemacht, etwas über sie aufzuzeichnen. Und weil es so wenig Material gibt, wird viel Angriffsfläche geboten für Spekulationen, Projektionen, Verdrehungen von Glaubensinhalten und für Anfeindungen – bis hin zum Völkermord.”

Den zentralen Moment des Abends bildeten die Eröffnungsreden der beiden Genozid-Überlebenden Jihan Alomar und Layla Mirza. Sie erinnerten eindrucksvoll an die Gewalt von 2014 – und an die Resilienz der jesidischen Gemeinschaft. “Wir stehen hier als zwei Überlebende und erzählen euch, was uns als Überlebende aus macht. Diese Veranstaltung ist nicht nur ein Platz für Geschichte, sondern auch ein Raum der Würde, Licht und Stärke – diese Stärke wollte der sogenannte IS uns nehmen”, betont Layla. Dass Jesiden bis heute Hass und Diskriminierung erleben, in Irak aber auch in der Diaspora, beschreibt Jihan: “Ich werde jeden Tag daran erinnert, dass ich nicht erwünscht bin als Jesidin. Jeden Tag, auch in der Schule.”

Stimmen aus Kultur und Gesellschaft – und ein kollektives Erinnern

Unter den Gästen befanden sich neben Überlebenden und Mitwirkenden zahlreiche Persönlichkeiten aus Zivilgesellschaft, Kultur und Medien.

Düzen Tekkal bedankte sich in ihrer Rede bei allen Beteiligten: „Diese Ausstellung ist unser Herzensprojekt. Danke an alle, die sie möglich gemacht haben – das bUm Berlin, unser Ausstellungsteam, das Auswärtige Amt, elbarlament, Bakhtyar Hassan für die Workshops, der Designer der Ausstellung Paul Bieri, das ganze Team von HÁWAR.help – und vor allem die jesidische Gemeinschaft, ohne deren Vertrauen dieses Archiv nicht existieren würde.“

Einblick ins Archiv: Erzählen, Bewahren, Sichtbar machen

Die Ausstellung ROJDA – Im Licht der Erinnerung zeigt die Lebensrealität der Jesid:innen vor, während und nach dem Völkermord von 2014 durch den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS). Sie beleuchtet das kulturelle Erbe einer bedrohten Gemeinschaft – und macht die Stimmen der Überlebenden sichtbar.

Ein zentraler Bestandteil ist die aktive Beteiligung der Gemeinschaft: In Fotoworkshops dokumentierten jesidische Frauen ihren Alltag aus eigener Perspektive – als Chronistinnen ihrer eigenen Geschichte.

Archivarin Rênas Babakir, eigens aus dem Irak angereist, und Fotograf Noori Issa gaben persönliche Einblicke in die Entstehung des Archivs: “The archive introduces us to the history and the voices of the Shingal mountain. The Archive tells us what it means to return and rebuild our home from scratch. The archive is a place of wisdom and of knowledge.” 

Tradition und Gedenken: Das Licht der Erinnerung

Als Zeichen des Gedenkens und spiritueller Erneuerung entzündete Wail Tozo, Menschenrechtsaktivist und Content Creator, eine traditionelle jesidische Öllampe und sprach ein Qewl-Gebet. Damit wurde symbolisch der Gedanke des Projekts unterstrichen – Erinnerung als Akt des Überlebens. “Mit Güte, Respekt und offenem Herzen. Heute stehen wir hier, um unsere Geschichte zu bewahren mit diesem Archiv über unsere Glaubensgemeinschaft.”

ROJDA zeigt, dass Erinnerung politisch ist – und dass Archive Räume sein können, die Stimmen schützen, Geschichten bewahren und Kulturen erhalten.

ROJDA – Im Licht der Erinnerung ist noch bis zum 5. Mai 2025 täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr (am 5. Mai bis 12:00 Uhr) im bUm Berlin geöffnet.
Der Eintritt ist frei.

Anschließend wird ROJDA als Wanderausstellung auf Reisen gehen. Institutionen, Museen und Bildungsstätten, die Interesse an einer Kooperation haben, können sich unter info@hawar.help melden.